Kolumne - Dinge, die die Welt nicht braucht
POQIT – Geldbörse mit kabelloser Powerbank fürs Smartphone

Im Mai 2016 stolperte ich bei der Crowdfunding-Plattform Companisto zum ersten Mal über das Startup mit dem anfangs schwer aussprechbaren Namen „POQIT“. Dieses StartUp will eine rund 160 Euro teure „mobile Induktions-Powerbank“ auf den Markt bringen, mit dem ihr euer Smartphone „on the fly“ laden könnt. Das Ganze wird hübsch verpackt in eine – nach derzeitigem Kenntnisstand von „BREE“ gefertigte – Geldbörse.

Der QI-Standard, der aktuell unter anderem von Samsung und Motorola unterstützt wird, soll das kontaktlose Aufladen des Telefons mittels Induktion ermöglichen.

An diesem Punkt war meine Neugierde geweckt. Macht es in Zeiten, in denen alle Welt das bargeldlose Zahlen im Allgemeinen und mobile Payment im Speziellen hypt, Sinn, neben seinem 5,5“-Smartphone zusätzlich eine Geldbörse mit sich zu führen, auf die man ja eigentlich verzichten will, nur um damit im Falle eines Falles sein Handy laden zu können?

Für diese Idee hat „POQIT“ bislang folgende Gelder einsammeln können:

2015 – EXIST-Gründerstipendium (die drei Gründer des Unternehmens erhalten darüber als Absolventen mit Hochschulabschluss folgende Mittel bei einer maximalen Förderdauer von einem Jahr: 3 x 2.500 Euro/Monat zur Sicherung des persönlichen Lebensunterhalts, bis zu 30.000 Euro für Sachausgaben und 5.000 Euro Coaching). Legen wir die maximale Förderdauer zugrunde, ergibt das eine Förderung von 125.000 Euro)

Im Mai 2016 warb „POQIT“ in einer ersten Crowdfunding-Kampagne über Companisto.de 172.000 Euro ein.

Seit 10. Mai 2017 läuft eine zweite Crowdfunding-Runde über Kickstarter.com mit einem Finanzierungsziel von 35.000 Euro – augenscheinlich mit dem Ziel, erste Geldbörsen der auf 1.000 Stück abgesetzten ersten Charge unters Volk bzw. den Investor zu bringen. Diese gibt es ab einem Mindestinvestment von 119 Euro. Bis zum 31. Mai 2017 haben sich gerade einmal 55 Investoren für eine der ab 119 Euro beginnenden Varianten der Kampagne entschieden.


„Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“


Jetzt zu des Pudels Kern: welchen Vorteil bringt mir eine Powerbank, die in ein Portemonnaie verpackt ist? Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf diesen Aspekt des Produkts, denn selbiger wird durch „POQIT“ immer wieder hervorgehoben.

Der Schutz der in der Geldbörse befindlichen Magnetkarten vor unbefugtem Auslesen mittels NFC/RFID als zweites Verkaufsargument halte ich für gewagt konstruiert. Sind wir mal ehrlich: um eine Magnetkarte auf diese Art auslesen zu können, muss das proaktive Lesegerät ziemlich nah dran sein. „Kreditkarten mit Kontaktlos-Schnittstelle haben eine Reichweite von maximal 1 cm bis 2 cm“, erklärt auch der Cheftechniker des RFID-Lösungsanbieters Enso Detego (Quelle: Ingenieur.de). Und selbst dann würde die kopierte Karte maximal für Bezahlvorgänge bis 25 Euro eingesetzt werden können.

Zurück zur Frage nach dem Sinn eines Portemonnaies mit integrierter 2.500 mAh Powerbank für 159 Euro. Flaggschiffe wie das Samsung Galaxy S8 haben 3.500 mAh Akkukapazität. Mit einem voll aufgeladenen „POQIT“ könnte man selbigen Akku also zu 70 Prozent aufladen. Aber Stopp: Sie müssen als Besitzer des „POQIT“ nun nicht mehr nur den Akkustand ihres Smartphones im Auge behalten, sondern auch den ihres Portemonnaies. Denn nichts ist schlimmer, als im Ernstfall feststellen zu müssen, dass auch das „POQIT“ leer ist. Jedem Smartphone liegt ein nur wenige Gramm wiegendes Ladekabel mit Netzteil bei, welches sich auch für wenige Euro nachkaufen und in der Handtasche oder dem Rucksack verstauen lässt.

Das bringt mich zur nächsten Frage: es ist schon schwer genug, ein modernes Smartphone vom Kaliber eines Galaxy S8 oder iPhone 7 in der Hosen- oder Jackentasche zu verstauen – ganz besonders im Sommer. Jetzt stellen sie sich vor, sie müssen dazu noch ein – im Leerzustand 160 Gramm wiegendes Portemonnaie – in der Tasche verstauen. Jetzt können Sie natürlich ganz gepflegt einen auf dicke Hose machen oder sich aber fragen: Muss das sein oder ist ein USB-Ladekabel nicht Nothilfe genug? Immerhin befinden wir uns in Deutschland und nicht in der Savanne Namibias, wo es kilometerweit weder Steckdose noch USB-Anschlüsse gibt.

Gehen wir mal zum Ladevorgang über, denn mit 2,5 Stunden Ladezeit müssen sie nach eigener Aussage von „POQIT“ schon rechnen, um ihr Smartphone zu 80 Prozent zu laden. Für 10 Prozent Akkuladung müssten sie folgerichtig mit 20 Minuten Ladedauer rechnen – da ist jeder USB-Anschluss schneller, von DASH oder Fast Charging reden wir gar nicht erst.

Nachdenklich macht mich die lange Zeitspanne zwischen Gründung des Unternehmens im September 2015 bis zur voraussichtlichen Auslieferung der ersten smarten Geldbörsen, die laut Unternehmensangaben im Dezember 2017 erfolgen soll. Das sind zwei Jahre seit Fertigstellung des ersten Prototyps im Dezember 2015. Was dauert an der Fertigung von 1.000 Geldbörsen und 1.000 Powerbanks so lange? Jeder chinesische Hersteller hätte das Produkt wahrscheinlich in zwei Monaten kopiert.

Apropos China: Drahtlose QI-Standard Powerbanks gibt es auf Alibaba.com für gewerbliche Kunden bereits ab 5 US-Dollar – mit CE sowie FCC-Zertifikat und 4.000 mAh.

Bei der Powerbank sehen sie übrigens auch jederzeit, ob und wie selbige geladen ist. Bei „POQIT“ scheint dazu die APP zu dienen, die natürlich ein Smartphone mit zumindest einer Restakkukapazität erfordert.

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