Wie chinesische Touristen in Deutschland bezahlen wollen

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Der Stereotyp chinesischer Touristen zeigt einen Pulk Menschen mit Fotoapparaten, Smartphones und Selfie-Sticks. Die Statistik indes zeichnet ein Bild spendabler Reisender, die weder im Restaurant noch im Geschäft auf Euro und Cent achten, sondern den Urlaub in jeder Hinsicht genießen. Das gilt umso mehr, wenn die finanzielle Transaktion so unkompliziert wie möglich vonstattengeht. Darauf müssen sich Einzelhandel und Co. einstellen. Denn auch bei der Finanzkultur treffen mit Deutschland und China inzwischen zwei Welten aufeinander. Hier einige Grundlagen, wie man diese Welten mit Blick auf den eigenen Umsatz annähern kann.

Smartphone statt Kreditkarte

Kulturelle Unterschiede erstrecken sich über viele Lebensbereiche. Dass mittlerweile auch der Finanzbereich dazu zählt, ist den galoppierenden Veränderungen geschuldet, die insbesondere bei den Bezahlmethoden immer neue Meilensteine setzen. Während man hierzulande noch zögert, im Supermarkt mit der Kreditkarte zu bezahlen und mobilen Varianten skeptisch gegenübersteht, wird das digitale Zeitalter in China selbst vom Imbiss an der Straßenecke gelebt. Bargeld spielt hier nur noch eine untergeordnete Rolle.

Konkret: In China zückt man kein Plastik mehr, sondern nimmt immer öfter – und bevorzugt – das Smartphone, um Rechnungen zu begleichen. In der Regel wird dazu ein QR-Code gescannt, der Vorgang bestätigt und fertig. Kein Gewühle nach Kleingeld, keine Kassenbons oder Belege. In Deutschland wäre ein solcher Alltag kaum denkbar. Schon gar, auch nicht den Lohn über eine App zu erhalten, was in China durchaus üblich ist. Technisch und theoretisch ist dies auch in Deutschland möglich. Banken sind aufgrund der Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 verpflichtet, Schnittstellen für Drittanbieter zu öffnen. So lassen sich zum Onlinezahlungen realisieren. Bedanken bezüglich des Datenschutzes, der in Europa eine große Rolle spielt, kennt man in China kaum.

Bezahlen per Selfie

Der Entwicklungsschritt QR-Code und Smartphone ist im Grunde genommen sogar schon überholt. Die großen Anbieter chinesischer Bezahl-Applikationen arbeiten ständig an Neuerungen, die noch mehr Komfort versprechen. So ist es unter anderem möglich, in der Metro im Kanton Guangzhou die Fahrt mit einem Gesichtsscan zu bezahlen. Der Vorteil für den Kunden: Die Daten werden einmal hinterlegt und validiert. Anschließend muss der Kunde nicht einmal mehr das Smartphone zur Hand haben, um bezahlen zu können. An ähnlichen Lösungen arbeitet auch Amazon.

Die bevorzugten Bezahlmethoden der Chinesen

Betrachtet man den chinesischen Markt, haben sich zwei Unternehmen die Hoheit über die Bezahlsysteme erarbeitet: Alipay mit einem geschätzten Marktanteil von 87 Prozent und WeChat Pay, das von rund 76 Prozent der Chinesen genutzt wird. Weitere Anbieter liegen deutlich dahinter, etwa QQ Wallet mit 25 Prozent oder Google Pay mit nur sieben Prozent.

Die beliebtesten Bezahlsysteme in China

AnbieterProzentualer Anteil *
Alipay87 Prozent
WeChat Pay76 Prozent
QQ Wallet25 Prozent
Baidu Wallet19 Prozent
Apple Pay18 Prozent
Amazon Pay10 Prozent
PayPal8 Prozent
Google Pay7 Prozent
Facebook4 Prozent
Samsung Pay1 Prozent
*Die Studie beruht auf den Aussagen von 2.003 Umfrageteilnehmern im Alter von 18 bis 69 Jahren (Stand: 2019). Quelle: Xpert.digital: Chinas beliebteste digitale Zahlungsdienste – China’s Most Popular Digital Payment Services.

Surftipp: Kreditkarten mit Google Pay / Apple Pay Unterstützung

Der Markt – Milliardenumsätze dank chinesischer Touristen

Wie anfangs erwähnt, sind Touristen aus China nicht knauserig. Konkret: Bei 149 Millionen Auslandsreisen im Jahr 2018 haben Urlauber aus dem Land des Lächelns rund 130 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Der Trend zeigt klar nach oben. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Reisen um 14,7 Prozent und die der Ausgaben um 13 Prozent. Dabei hat Europa einen Anteil von rund 3,83 Prozent und zählt Deutschland zu den beliebteren Zielen (Daten der chinesischen Tourismus-Akademie). Andere Organisationen, etwa die Welttourismusorganisation, nennen deutlich höhere Ausgaben. 2017 waren es demnach weltweit rund 257,7 Milliarden US-Dollar.

Die Übernachtungszahlen chinesischer Touristen in Deutschland

JahrÜbernachtungen in Mio
20162,584
20172,859
20183,02
Quelle: Destatis.de: Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben nach Herkunftsländern.

Entscheidend ist: Die Zahl derer, die aus China nach Europa und Deutschland reisen, wird in den kommenden Jahren immer weiter steigen. Die Welttourismusorganisation geht davon aus, dass 2017 etwa 12,4 Millionen Chinesen nach Europa gereist sind. Prognosen zufolge liegt die Steigerungsrate bei 77 Prozent bis 2020. Erfreulich für die deutsche Wirtschaft: Geschätzt 15,6 Prozent der Urlauber aus China werden die Bundesrepublik als Reiseziel wählen und dort (sehr viel) Geld ausgeben.

Der Umsatz

Heißt: Ein solcher Touristenstrom macht sich auch in den Kassen bemerkbar. Im Schnitt beläuft sich der Warenkorb eines chinesischen Touristen laut aktueller Zahlen auf rund 3.400 Euro. Allein für Luxusartikel, die hierzulande günstiger sind und somit für Chinesen ein Schnäppchen darstellen, werden rund 700 Euro investiert. Allerdings ebbt der Trend zum Luxus ein wenig ab.

Das eigentliche Problem aber ist: Der deutsche Handel ist nur unzulänglich auf chinesische Touristen eingestellt. So beläuft sich der Kassenbon je Einkauf in Deutschland auf 701 Euro (minus fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr). In Italien sind es 1.121 Euro (plus 15 Prozent) und in Frankreich sogar 1.721 Euro (plus 13 Prozent). In Deutschland muss noch viel unternommen werden, um das Potenzial optimal zu nutzen, das von bis zu 20,8 Millionen Touristen bis 2022 (Schätzungen von Wirecard) ausgeht.

Bezahloptionen: Was wünschen sich Touristen aus China?

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Damit Chinesen – bildlich gesprochen – ihr Portemonnaie öffnen, sollte der Bezahlvorgang so einfach wie möglich sein und sich an dem orientieren, was der Gast kennt. Diesbezüglich sind Alipay und WeChat Pay ähnlich stark vertreten. Anna Kostens von Wirecard erklärte dazu gegenüber e-tailment: „Praktisch jeder erwachsene Chinese hat beide Apps auf seinem Smartphone.“

Surftipp: Alibaba und Alipay

Warum diese beiden Apps so erfolgreich sind, liegt am Geschäftsmodell. „Wesentlich ist, das Angebot ist vom Kunden her gedacht“, so Panagiotis Karasavvoglou, Country Head Merchant Services Germany bei Worldline. Es geht darum, Mehrwerte zu schaffen, Hilfen zu bieten und Probleme aller Art zu lösen. Dazu werden viele Lebens- und Geschäftsbereiche miteinander verknüpft. Das geht so weit, dass Alipay über WeChat Pay genutzt werden kann. Zudem übernehmen die Apps bereits die Mehrwertsteuererstattung bei Touristen. So bleibt mehr Geld, das vor Ort ausgegeben werden kann. Wichtig für den deutschen Handel: Die Apps dienen vielfach bereits der Reiseplanung. Denn Urlauber schauen sehr genau, wo sie in Deutschland und anderenorts zum Beispiel mit Alipay bezahlen können. Diese Geschäfte werden dann bevorzugt aufgesucht. Gleiches gilt für Restaurants und Dienstleister.

Der Handel muss Brücken bauen

Für den Handel, Restaurants, Hotels und Co. heißt das: Sie müssen möglichst schon vor Antritt der Reise beim potenziellen Kunden präsent sein. Da immer mehr Chinesen ihren Urlaub individuell planen, statt mit der Gruppe zu reisen, wird die Tour minutiös von zu Hause aus organisiert. Auch dabei greifen die Nutzer teils schon auf Bezahl-Apps zurück. Auf Facebook oder Twitter für sich zu werben, ist hinsichtlich chinesischer Kunden vergebene Liebesmüh. Stattdessen sollte man auf WeChat setzen und dort ein Profil einrichten, weil der Durchschnittschinese rund vier Stunden auf dem Portal verbringt.

Zudem muss man die entsprechenden Bezahlmöglichkeiten schaffen. Dabei ist man nicht allein auf weiter Flur. Viele Zahlungsdienstleister haben sich bereits auf den neuen Markt eingestellt. Alipay wird zum Beispiel von Wirecard, Ingenico, Worldline, Concardis oder Planet angeboten. Dass es sich rentiert, beweisen die Zahlen: „Die Transaktionsumsätze über Alipay steigen in Deutschland kontinuierlich. „Allein 2018 haben sie sich bei unseren Händlern mehr als verdoppelt“, betont Karsten von Diemar, Vice President Product Management bei Concardis im Gespräch mit e-tailment.

Sobald WeChat Pay oder Alipay angeboten werden, ist man aus Sicht von China-Experten gut beraten, die Plattformen aktiv für sich zu nutzen. Auf dem jeweiligen Profil kann man zum Beispiel mit Rabatten werben, spezielle Angebote für chinesische Kunden kommunizieren oder andere Mehrwerte bieten. Wichtig: Das Profil sollte auf Chinesisch angelegt werden. Das macht es leichter, von chinesischen Kunden gefunden zu werden. Kombiniert mit weiteren Aktionen und Angeboten trifft man genau den Geschmack seiner chinesischen Kunden. Im Fall des Ratskellers in München, der für Gäste, die mit Alipay bezahlen, ein eigenes Gericht anbietet – ohne Knödel, die man in China offenbar nicht mag – sogar wortwörtlich.

Schritt für Schritt chinesische Kunden für sich gewinnen

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Damit es mit den chinesischen Kunden funktioniert, hier ein Schritt-für-Schritt-Plan:

  1. Klären, ob der eigene Zahlungsdienstleister mit Alipay oder WeChat Pay kooperiert.
  2. Falls Alipay oder WeChat Pay nicht angeboten werden, einen entsprechenden Dienstleister wählen.
  3. Prüfen, ob die Bezahlterminals bzw. die aktuell genutzte Technik die Anforderungen an die Bezahl-Apps erfüllen.
  4. Prüfen, ob die Bezahlterminals bzw. die aktuell genutzte Technik die Anforderungen an die Bezahl-Apps erfüllen.
  5. Alipay und WeChat Pay als Bezahlmethoden anbieten.
  6. Profile bei den großen Zahlungsdiensten Alipay und WeChat Pay anlegen.
  7. Dafür sorgen, dass man in den Apps gefunden wird.
  8. Chinesische Gäste gezielt mit Aktionen, Rabatten und Mehrwerten ansprechen.
  9. Sich mit den Empfehlungen zu chinesischen Kunden vertraut machen (DIHK-Merkblatt Chinatourismus).

Surftipp: Geld abheben und bezahlen in China

Quellen / weiterführende Informationen